Ammon-Rey-Verlag: "Leitfossil.de" 2011



Das Auslesen von Mikrofossilien

Von Andreas E. Richter, Augsburg   (21. Februar 2011)

Ein ganz wesentlicher Arbeitsschritt bei der Beschäftigung mit den Mikrofossilien ist das „Auslesen“ aus den vorbereiteten Proben, und weil wir immer wieder gefragt werden, wie so etwas gemacht wird, gebe ich hier eine etwas ausführlichere Erläuterung und Beschreibung dieser Tätigkeit.

Zuerst die Definition: „Auslesen“ bedeutet Auswahl und Entnahme von Mikrofossilien oder sonstiger gewünschter Objekte (z.B. aus Rezentmaterial) aus dem Probenmaterial. Das folgende Bild zeigt "ausgelesene" Mikrofossilien.

Abbildung 1 (oben):  Auslesegut aus einer Hurghada-Probe (0,9 - 1,9 mm). Wir erkennen Schnecken, Foraminiferen, Stachelhäuter-Reste, Seepockenplatten, Bryozoen und Weichkorallen-Spiculi. Foto mit dem DigiMicro Scale.

Die Hilfsmittel

Je nach persönlicher Neigung und Begabung und auch je nach den auszulesenden Objekten werden zum Auslesen Pinsel oder Auslesenadeln verwendet.

Beim Arbeiten mit der Auslesenadel wird diese durch Einstechen in Bienenwachs klebrig gemacht (kleinen Wachstropfen auf dem Binokularfuß anbringen). Beim Berühren des zu erfassenden Fossils haftet dieses an der Nadel und kann in die Mikrozelle verbracht werden, wo es abgestreift werden muss. Ein Problem stellt dabei das Abstreifen dar – ist zu viel Haftmittel (Wachs) an der Nadel, so zeigt sich das Fossil sehr anhänglich und kann nur mit Mühe abgelegt werden. Ist zu wenig Wachs an der Nadel, so haftet das Fossil nicht.

Abbildungen 2 und 3 (oben):  Zwei Pinsel der Größe 0/0 und 4/0 sowie eine Auslesenadel mit auswechselbarer Spitze. Eingeblendet eine Vergrößerung der Spitzen.

Das zweite und größere Problem ist die Gefahr des Zerstörens eines Fossils durch die harte und unnachgiebige Nadel; schon beim geringsten Druck zerbrechen manche der empfindlicheren Formen. Hier muss Erfahrung gesammelt werden, ganz gewiss auf Kosten einiger Fossilien.

Das Arbeiten mit einem Auslesepinsel ist wesentlich einfacher. Wir kaufen einen feinen Malpinsel (Marderhaarpinsel der Größe 0, 0/0, 4/0 oder 5/0) und arbeiten damit: Pinsel leicht anfeuchten (durchaus zwischen den Lippen – weder vergiften wir die Mikrofossilien noch diese uns; aber nicht so richtig nass machen!) und mit der feinen noch feuchten Pinselspitze das Objekt erfassen, zur Mikrozelle führen und abstreifen. Auch hier muss natürlich eine gewisse Einarbeitungszeit angesetzt werden. Grundsätzlich lässt sich mit dem Pinsel problemloser, weil schneller und vor allem risikofrei (für die Fossilien) arbeiten.

Schließlich kann man auch mit speziell präparierten Pinzetten arbeiten. Man versieht entomologische Pinzetten mit feinst zugeschnittenen und angeklebten Zelluloidspitzen (z.B. aus Diafilm). Diese Pinzetten haben den Vorteil zielgenauen Greifens, hoher Nachgiebigkeit und guter Ablösung der Mikros beim Ablegen. Letztendlich ist die Pinzettenarbeit aber aufwändig in der Hilfsmittel-Vorbereitung und grundsätzlich auch nicht effektiver als die Arbeit mit dem Pinsel.

Abbildungen 4 bis 6 (oben):  Ausleseschalen. Links oben ein Satz Messingschalen (Krantz), rechts daneben und unten Aluminiumschalen. Auf dem unteren Bild wurde eine Schrägansicht der Löcher eingeblendet, um die kraterartige Aufbördelung zu zeigen. Damit wird verhindert, dass Material unbeabsichtigt seitlich in die Löcher geschoben wird.

Das Auslesen erfolgt in Ausleseschalen. Es gibt zwei Typen-Paare; beide werden serienmäßig in schwarz (die Messingschalen von Krantz auch in weiß) geliefert. Diese Ausleseschalen messen etwa 7 x 11 und 8 x 12 Zentimeter und haben einen schrägen knapp einen Zentimeter hohen Rand. Die z.B. bei Firma Krantz/Bonn angebotenen Messingschalen messen 7 x 11 Zentimeter und haben eine Ein-Zentimeter-Rasterung (9 x 5 = 45 Kästchen von je einem Quadrat-Zentimeter), was das kontinuierliche und fortlaufende Durchschauen der Schalen in vertikaler oder horizontaler Richtung erleichtert. Die messingnen Ausleseschalen sind allerdings relativ teuer: Die ungelochte Schale kostet derzeit 27,50 €, die gelochte Version 69 €.

Die zweite Version sind die bei Richter-Fossilien/Augsburg angebotenen schwarz gepulverten Aluminiumschalen, 7,3 x 11,5 Zentimeter (ungelocht) und 7,8 x 11,9 Zentimeter (gelocht). Nachteil dieser Schalen: Keine Rasterung. Vorteile: Loch-Durchmesser größer (2 Millimeter) als bei den Krantz-Schalen (1,2 Millimeter); durch die unterschiedliche Größe der beiden Schalen kann die gelochte Schale in die ungelochte gestellt werden, was das Auffangen der durch die Löcher geworfenen Auswahl-Objekte in der unteren (ungelochten) Schale ermöglicht (Luftraum zwischen den beiden Schalen ca. 4 Millimeter). Und natürlich der Preis: Die Aluminiumschalen kosten 15 bzw. 28 € (gelochte Version) .

Die ungelochten Schalen haben eine glatte Bodenfläche und dienen zum Mustern einer Probe, zum Auslesen und zum Sortieren des ausgelesenen Materials. Die gelochten Ausleseschalen haben in den Kreuzungspunkten der Rasterlinien kraterartige Aufwölbungen, mit einer Bohrung von 1,2 bzw. 2 Millimeter Durchmesser.

Die Selbstanfertigung von Ausleseschalen ist wenig sinnvoll, da der Aufwand hoch ist und ein anderes Material – z.B. Kunststoff wegen der Aufladung – ungeeignet ist. Man sollte diese einmalige Anschaffung nicht scheuen, da die Schalen ja ein dauerhafter Gebrauchsartikel sind und über Jahrzehnte ihren Dienst erfüllen werden.

Der Sinn der gelochten Ausleseschale ist folgender: Beim Arbeiten unter dem Binokular sehen wir im Sichtfeld immer (links oder rechts, oben oder unten; bei stärkerer Vergrößerung kann es allerdings auch passieren, dass kein Loch im Sichtfeld ist) eines der Löcher der Ausleseschale. Wir müssen uns nun eine Vorrichtung bauen, die es ermöglicht, dass alle durch ein in Sichtfeldmitte befindliches Loch der Ausleseschale geworfenen Objekte genau in das Sammelloch einer unter der Ausleseschale liegenden Mikrozelle fallen (kann bei den Aluminium-Schalen entfallen – hier wird zum Auffangen der ausgewählten Objekte die ungelochte Schale unter die gelochte Schale gestellt).

Wir müssen also beim Arbeiten nicht ständig von den Okularen aufblicken, den Pinsel zur neben dem Binokular liegenden Mikrozelle führen und wieder zurückkehren zum Binokular, sondern können alle aufgegriffenen Objekte einfach durch ein in Bildmitte liegendes Loch der Schale in die darunterliegende Mikrozelle werfen.

Abbildungen 7 bis 10 (oben):  Oben links der Sockel des MBS 10 mit daneben gelegter genuteter Aluminium-Scheibe; rechts darunter sieht man die in die Binokularfuß-Aussparung eingelegte Aluminiumscheibe mit eingelegter Mikrozelle. Unten größere Abbildungen der Aluminumscheibe.

Wir benötigen also eine Vorrichtung zur Aufnahme einer Mikrozelle auf unserem Binokular-Fuß. Für das russische Forschungs-Binokular MBS 10 wurde eine größenmäßig der Aussparung im Gerätefuß entsprechende Aluminiumscheibe konstruiert (erhältlich bei Richter-Fossilien), in deren Mitte eine dem englischen Objektträger-Format (und somit der Mikrozellen-Größe; 26 x 76 mm) Nut eingefräst ist, zur Aufnahme der Zelle, die nun nahezu oberflächengleich (etwas tiefer, um Reibung zu vermeiden) in dieser Aluminiumscheibe liegt und ein problemloses Darüberschieben der Ausleseschale ermöglicht.

Für andere Binokular-Typen muss eine Arbeitsplatte aus Holz gebaut werden, die in der Anfertigung relativ einfach ist, aber doch gewisse Fertigkeiten im Umgang mit Werkzeugen voraussetzt (siehe Skizze unten).

Abbildung 11 (oben):  Holzkonstruktion zur Aufnahme einer Mikrozelle und zum Darüberschieben der Ausleseschale bei der Auslesetätigkeit.

Wir geben eine kurze Beschreibung der Herstellung dieser Arbeitsplatte, die aus zwei Sperrholzplatten zusammengesetzt wird. Die beiden Sperrholzplatten sollten etwa 30 x 15 cm groß sein. Die eine Platte sollte 5 oder 6, die andere 8 oder 10 mm dick sein. Wir fixieren nun die dickere Platte auf dem Binokular-Fuß, indem wir sie horizontal zentrieren (die auf dem Brett vorher angezeichnete Mittelachse – sie liegt 15 cm vom linken und vom rechten Plattenrand – verläuft nun senkrecht durchs Blickfeld, in Blickfeldmitte. Die Entfernung der Arbeitsplatten-Hinterkante vom Binokular-Standfuß ergibt sich automatisch – wir schieben das Brett bis auf wenige Millimeter an die Säule heran. Nun übertragen wir durch Vermessen die Lage der Objekthalter-Löcher des Binokular-Fußes auf das Brett und bohren zwei Löcher von entsprechendem Durchmesser ins dickere der beiden Sperrholzbretter.

Wir legen das dünnere Brett nun passgenau auf das dickere Brett und bohren die beiden Löcher auch durch das dünne Brett. Nun legen wir die beiden vorerst nur zusammengelegten Bretter auf den Binokular-Tisch und fixieren sie mit Stiften – durch die Bretter, in den Bino-Tisch. Möglicherweise kann man dazu sogar die Okularklemmen nehmen, wenn vorher die Stahlfedern entfernt wurden. Ansonsten muss man improvisieren. Jetzt schauen wir durch das Binokular und markieren auf der senkrechten Mittelachse genau die Mitte des Sichtfeldes. Dieses Achsenkreuz markiert auch die Mitte des Loches der Mikrozelle.

Wir nehmen das dünne Brett, messen vom Achsenkreuz 3,8 Zentimeter auf der Mittelachse nach hinten und machen hier einen Querstrich (rechtwinklig zur Mittelachse). Parallel der Mittelachse machen wir zwei Striche, je 13,6 Millimeter nach links und nach rechts von der Achse aus, die bis zum Vorderrand des Brettes laufen. Diesen 27,2 Millimeter breiten Schlitz sägen wir nun aus dem dünnen Brett aus.

Dann kleben wir das dünne Brett passgenau auf das dicke Brett auf, flächig eingestrichen mit Ponal oder einem anderen Weißleim, am besten zwischen dicken Brettern liegend und mit kräftigen Klemmen gepresst. Nach dem Aushärten versäubern wir die Kanten.

Beim Arbeiten wird folgendermaßen verfahren: Arbeitsplatte auf dem Binokular-Fuß fixieren, Mikrozelle (natürlich Deckglas vorher entfernen!) in den Schlitz einlegen und ganz nach hinten schieben. Wenn genau gearbeitet wurde, muss die Mitte der Mikrozellen-Aussparung nun genau im Zentrum des Sichtfeldes liegen. Wir stellen die gelochte Ausleseschale auf die Arbeitsplatte und beginnen mit dem Durchschauen der Probe. Alle gewünschten Objekte greifen wir auf und werfen sie durch das nächsterreichbare Loch nach unten in die Zelle. Bei dieser Art des Auslesens sparen wir gegenüber dem Auslesen in seitlich liegende Zellen mit ständigen Aufblicken vom Binokular enorm viel Zeit. Wir schonen dabei auch die Augen – die Ermüdung ist wesentlich geringer.

Abbildung 12 (oben):  Mikroproben mit quartärem Fossilkonzentrat aus Hurghada, Rotmeerküste/Ägypten.

Das Auslesen als Vorgang

Der Schlämmrückstand (bzw. bei Anreicherung das Konzentrat) wird locker in die Ausleseschale gestreut. Nicht zu dicht streuen – die Objekte dürfen einander nicht überdecken oder in – wenn auch nur streckenweise - bodendeckender Weise in der Schale liegen. Nicht aus zu großer Höhe streuen, da sonst viel Material wieder aus der Schale heraus auf den Tisch springt. Nach einigen Einstreuungen wird man die richtige Methode gefunden haben.

Abbildung 13 (oben):  Das Einstreuen von Probenmaterial in die gelochte Ausleseschale. Unter der Lochschale steht die ungelochte Schale. Beim Beispiel handelt es sich um schwarz gepulverte Aluminiumschalen.

Abbildung 14 (oben):  Unten auf dem Bild die eingestreute Lochschale, die in die ungelochte Schale gestellt wurde. Auf dem oberen Bild wurde die Lochschale entfernt und wir erkennen die bereits ausgelesenen und durch die Löcher in die untere Schale geworfenen Mikrofossilien.

Wir schieben nun unsere Ausleseschale über die Arbeitsplatte, und zwar in einer bestimmten von Anfang an beibehaltenen Abfolge, z.B. beginnend in der linken oberen Ecke. Wir untersuchen die ganze erste Reihe nach unten, die zweite Reihe nach oben, die dritte Reihe wieder nach unten usw.; wenn wir uns diese Abfolge angewöhnen, werden wir es z.B. sofort bemerken, dass eine Reihe ausgelassen wurde, weil wir in der letzten Reihe oben statt unten enden.

Die Geschwindigkeit des Verschiebens der Ausleseschale ist Gewohnheits-Sache, aber auch abhängig von der Fossilhäufigkeit, der Fossilgröße und davon, wie gründlich man arbeitet. Man entnimmt nicht alle Objekte, sondern nur die guterhaltenen Stücke. Stellt man fest, dass bestimmte Arten sehr häufig sind, so kann man nach der Auslese von genügend Exemplaren diese Arten zukünftig aussparen.

Abbildung 15 (oben):  Das Binokular mit den beiden ineinander gestellten Aluminiumschalen auf dem Sockel.

 

Abbildungen 16 (oben):  Das Auslesen: Die Schale wird (von mir bevorzugt) von links oben in Vertikalreihen durchgeschaut. Eingeblendet eine Schale mit ausgelesenen Mikrofossilien.

Abbildungen 17 bis 19 (oben):  Das Anfassen eines ausgewählten Objekts mit dem Pinsel und die anschließende Ablage durch das Loch, hier gezeigt am Beispiel einer textulariiden Foraminifere.

Sinnvoll ist folgende Vorgehensweise: In die unter der Ausleseschale liegende Mikrozelle werden alle häufigen Arten abgelegt; schon beim Auslesen als solche erkennbare Besonderheiten werden in seitlich liegende Zellen gelegt. Dies ist zwar ein Zeitverlust, weil wir dabei doch wieder von den Okularen aufschauen müssen, ist aber für die spätere Auswertung sehr vorteilhaft.

Wenn es sich um größere Objekte handelt, die nicht durch die Löcher der Ausleseschale passen, müssen wir sie aufnehmen und dann in ein bereitgestelltes Polystrol-Kästchen ablegen. Wir können solche Fälle aber weitgehend vermeiden durch die Fraktionierung unserer Proben: Beim Arbeiten mit der gelochten Aluminium-Schale wäre die Fraktionierung auf 0,9 bis 1,9 Millimeter angebracht wie bei unserem hier gezeigten Beispiel der Hurghada-Probe.

Abbildungen 20 und 21 (oben):  Als Beispiel für die Menge einer sehr fossilreichen Probe im Verhältnis zum Ausleseergebnis hier eine Hurghada-Probe (Fraktion 0,9 - 1,9 mm): Probengewicht 85 Gramm, Ausbeutegewicht 2 Gramm (bei sehr flüchtigem Durchsehen unter Bevorzugung optimal erhaltener oder seltener Fossilien).

Abbildungen 22 und 23 (oben):  Oben eine Schale mit eingestreutem unsortiertem Probenmaterial ("Rohmaterial"); unten eine Vergrößerung. Es passiert natürlich immer wieder, dass beim Einstreuen einige Körner in den Löchern hängenbleiben und später in die darunterstehende Schale oder Mikrozelle fallen. Das kann man verhindern, indem man die Lochzelle einmal auf eine ebene Fläche staucht bzw. aus ganz geringer Höhe auffallen lässt - durch die Erschütterung lösen sich die Körner und fallen durch.

Abbildungen 24 und 25 (oben):  Eine Schale mit für das Foto eingeschüttetem Auslesegut aus dem Polystrolschächtelchen auf Abbildung 21. Eingeblendet eine Vergrößerung; das Objekt am linken Bildrand ist ein Tintenfisch-Schnabel.

Sammlung und Fotos A.E.R.

 


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